Funktionieren Chatbots im Kundenservice ?

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Funktionieren Bots im Kundenservice ?

Funktionieren Chatbots im Kundenservice? Oft ploppen Chatfenster im unteren Teil von Webseiten auf „Hallo, ich bin Tim, wie kann ich dir helfen?“. Krass, denke ich mir. Tim ist um 22:17 Uhr noch im Büro und hilft Kunden? Leider ist Tim in diesem Fall kein echter Mensch, sondern ein automatisiertes Script. In diesem Fall ist es ein Chatbot, der oft im Kundenservice eingesetzt wird. Das Chatfenster von Tim ist mit dem Facebook-Messenger verknüpft. Die Plattform Facebook bietet von Haus aus einen Chatbot-Service an. Die Betreiber von Fanpages können für dieses Chat-Plugin, automatisierte Informationen ablegen, die außerhalb der Geschäftszeiten abgerufen werden können. Die Anzahl der Chatbots bei Facebook lag 2016 bei 11.000 und stiegen bis Mai 2018, auf 300.000 Stück an.

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Die dummen Chatbots im Kundenservice funktionieren ?

Der Einsatz und das Potenzial von Chatbots klingt verlockend: Kunden können jederzeit ihre Fragen stellen und erhalten binnen kürzester Zeit eine Antwort. Die Vision geht noch weiter. Der Einsatz von Bots, direkt im Verkaufsdialog, um auf einer Datenbasis potenzielle Kunden zu überzeugen. Die Datenbasis sorgt dabei für eine optimierte Kundenberatung. Schließlich kennt der Bot das Einkaufsprofil des Nutzers.

Schon länger vergleichen Algorithmen das Einkaufsverhalten von Nutzern und gleichen es untereinander ab. Kaufen unterschiedliche Nutzer das gleiche Produkt bilden sich Cluster – die am Ende ein Profil ergeben. Ein bekanntes Beispiel ist das Einkaufsverhalten von Schwangeren. Das Beispiel der US-Supermarktkette Target zeigt, dass Frauen die schwanger sind, ein ähnliches Einkaufsverhalten aufweisen. Sogar wenn die Frauen noch nichts von ihrer eigenen Schwangerschaft wissen, verrät es der Algorithmus durch die Kombination von Artikeln die gekauft werden. Diese wertvolle Erkenntnis kann im Marketing eingesetzt werden. Die werdende Mutter gehört nun zu einer bestimmten Zielgruppe mit einem speziellen Targeting: Werbung für Baby-Kleidung, Baby-Nahrung, Windeln, Kinderwagen, etc…

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Chatbots im Kundenservice getestet

Funktionieren Chatbots im Kundenservice Chatbot Fenster
Chatbot im Kundenservice am Beispiel von Vodafone

Ein Test der Stiftung Warentest im Jahr 2018 offenbart die gegenwärtige Realität von Chatbots. Im Rahmen der Bewertung von Telefon-Hotlines der großen Telekommunikationsanbieter in Deutschland, wurden Chatbots getestet. Der Test zeigt, wie unausgereift ein Bot sein kann. In einem Dialogfenster wurde der Bot mit einer einfachen Fragen konfrontiert. Für einen Menschen eine einfache Frage, der Bot interpretiert die Frage als Beleidigung (siehe Bild). Sicherlich kann man mit diesem Beispiel keine allgemeingültige Aussage über Chatbots treffen. Der Journalist Jan Tißler bewertet das Verhalten am Beispiel dadurch, dass dieser Chatbot lediglich Keywords durchsucht, anstatt ganze Sätze zu verstehen. Auch Feinheiten im Sprachgebrauch werden nicht erkannt, weil sie schlichtweg nicht in der Programmierung berücksichtig wurden.

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Wenn der Chatbot menschlich wäre

Eine Studie von YouGov fügt hinzu, dass die Mehrheit der deutschen eine Chatbot-Nutzung ablehnt. In der Umfrage geben 57% an, dass Sie es nicht bevorzugen würden, mit einem Chatbot zu kommunizieren. Die Plattform Adzine geht konkret auf die Gründe für ein, warum Chats mit Bots schlecht funktionieren. In einer Umfrage unter 3500 Befragten ergab sich:

  • Unzureichende Intelligenz von Chatbots, um Fragen effektiv zu beantworten (27 Prozent)
  • Zu wenig Berücksichtigung des Kontexts (24 Prozent)
  • „Roboterähnliches“ Verhalten mit nur geringen menschlichen Merkmalen (14 Prozent).

Dave Feldman, ein ehemaliger Mitarbeiter im Facebook-Bot-Team, beschreibt ein wesentliches Problem:

Conversations aren’t linear. Multiple topics weave around each other. Discussions restart abruptly, or take unexpected left turns. That fluidity is tough to follow algorithmically, and most approaches are brittle.

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Die Sender-Empfänger Problematik im Kundenservice

Zusammenfassend: Menschliche Kommunikation ist laut Feldman nicht linear und kann für Verwirrung sorgen. Das Chat-Bot-Beispiel der Stiftung Warentest bestätigt diese Aussage. Feldmans Aussage kann man nun mit dem Kommunikations-Quadrat von Schulz von Thun ergänzen. In dem Modell wird deutlich, dass in der zwischenmenschlichen Kommunikation Mimik, Gestik, Stimmlage, etc.. vom Sender mitschwingt und beim Empfänger unterschiedlich interpretiert wird. Diese verdeckten Appelle in der Mensch-zu-Mensch-Kommunikation sind Teil von Thuns Sender-Empfänger-Problematik. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch die Eigene, menschliche Kommunikation fehlinterpretiert, ist hoch. Wie kann es also ein Algorithmus schaffen, diese menschlichen Botschaften fehlerfrei zu interpretieren?

Funktionieren Chatbots im Kundenservice - bald?

Für alle die nicht wussten, dass es einen Hype um Chatbots gab: Es gab ihn. Das genannte Beispiel und die Meinungen in diesem Artikel, zeigen nur einen kleinen Ausschnitt zum Thema Chatbots. Ein Suchmaschinenergebnis zum Thema „Hype + Chatbots“ füllt Bücher. Ende 2018 beschreibt der Redakteur Jens Rode Chatbots aus seiner Perspektive:

„Das Potenzial von Chatbots ist definitiv groß und vor allem noch längst nicht ausgeschöpft. Bis hin zu einer natürlich geführten Unterhaltung braucht es allerdings noch Einiges an Entwicklung.“

Jan Tißler ergänzt in seinem Fazit

Bei Chatbots sollte man sich zumindest vorerst von der Idee verabschieden, dass sie ein Gespräch zwischen zwei Menschen sinnvoll ersetzen können. Chatbots sind auch bei Weitem keine Alternative zu Websites oder Apps.

Beweist Google das Gegenteil zu dieser Meinung? Was wäre, wenn man nicht merkt, dass man mit einem Bot chattet oder telefoniert? Auf einer Google-Konferenz stellt das Unternehmen einen Bot vor, der über das Telefon in der Lage ist, beispielsweise einen Termin beim Friseur zu vereinbaren. Die Vorstellung im Video:

Diese Demo zeigt eindrucksvoll die Fähigkeiten von dem Bot „Duplex“. Neben den Fragen zur technischen Umsetzung, wirft diese Demo ethische Fragen auf. Darf sich ein Bot als Mensch ausgeben? In der Demo wird die Immitation von menschlicher Kommunikation deutlich. Der Bot ergänzt die Nachrichten mit einem „Uuhm“ und wirkt dadurch menschlich. Eine Studie von Capgemini zeigt den Wunsch von Verbrauchern an Bots. Die wünschen sich nämlich eine menschen-ähnliche Kommunikation ohne menschliches Aussehen. Googles Chatbot hat das Potenzial, dass Chatbots im Kundenservice funktionieren. Googles Bot Duplex folgt diesem Verbraucherwunsch, er immitiert bereits die menschliche Ausdrucksweise.

Ethische und moralische Fragen gehen über den Kundenservice hinaus

Den Einsatz von Chatbots darf man keinesfalls abschreiben. Allerdings sind die Hürden hoch, um ein funktionierendes Bot-System zu entwickeln. In diesem Bereich bleibt es abzuwarten, inwieweit Google diesen Markt für Webseiten-Betreiber öffnet. Bei dem Einsatz von Menschen-immitierenden-Bots schwingt zusätzlich eine ethische Perspektive mit. Hier ist von Google Fingerspitzengefühl gefragt, wie sie einen Missbrauch des Dienstes verhindert. Die Betrüger der „Enkel-Trick“-Mafia könnten durch einen solchen Bot, automatisiert Rentner anrufen und darauf spekulieren, dass der Betruf bei einem bestimmt Prozentwert Erfolg hat.

Es bleibt spannend, was dieser Markt in Zukunft zu bieten hat und man wird sicherlich noch einiges zum Thema Bots in naher Zukunft von Google hören. Bis dahin müssen wir wohl weiter zum Telefonhörer greifen und offline Termine beim Friseur zu vereinbaren.

Ich bin Marketingmanager und Spezialist für Online Content. Mit der richtigen Mischung aus Beratung, Konzeption und Produktion für digitale Kommunikation. In unregelmäßigen Abständen blogge ich privat über Themen, die mich interessieren.

Julius Kröger Inhaber julius-media.de
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